Formen

In der Vorstellung der Ägypter waren alle Formen Hüllen, die in der Lage lebendig zu werden. Die Hüllen waren potentiell in der Lage "ihren Namen auszusprechen" und sich somit selber zum Leben zu erwecken. Künstler und Handwerker standen somit dem Weltenschöpfer (vor allem Ptah, nach der Kosmogenie von Memphis) nahe, weil sie Formen schufen, wie auch Ptah den Menschen aus Ton (nach seinem Vorbilde) schuf.

Bei den griechischen Philosophen, die sich auf der Suche nach dem Ursprung der Dinge befanden, war die reine Form (etwa die Idee einer Kugel) Teil einer metaphysischen Welt. Die "Dinge" als greifbare in der Realität existierende Gegenstände entstanden erst durch Zusammentreffen von Form und Substanz. Insofern erhielt die Form tatsächlich die Rolle einer "Seele" oder des "Wesens" der Dinge, der sich allerdings nicht ganz mit dem uns vertrauten Seelenbegriff deckt.

Je reiner die Formen waren, als desto "wahrer" galten sie: Die Idee des Kreises ist bekannt, der praktische Einsatz desselben zuverlässig und in verschiedensten Maßgaben wiederholbar (d.H. nachweisbar als Prinzip). Nur ist es in der Realität unmöglich, tatsächlich einen Kreis zu zeichnen, welcher der Definition eines Kreises zu 100% entspricht. Ebenso ist es unmöglich eine gerade Linie zu zeichnen (ein zweidimensionales Objekt währe zwangsläufig unsichtbar) oder einen Punkt zu markieren. (Das ist in etwa die aristotelische Sichtweise, die sich ihrerseits stark an Platos Welt der Ideen anlehnt die ihrerseits ihre Wurzeln wahrscheinlich bei den Pythagoräern hat).

Spinnen wir die hier vorgestellten Ansichten weiter, verspricht die zweidimensionale Welt gar noch metaphysischer als Tonfiguren zu geraten, denn in zweidimensionale Formen lässt sich offensichtlich keine Substanz hineinpacken. Es sei denn, man vermutet eine "Welt dahinter". Zweifelsohne schien man in alter Zeit den Bildern große Macht zuzuschreiben (man soll ja schließlich nicht den Teufel an die Wand malen).

Die Semiten schrieben zwar dem Wort (den Namen) die größte Macht zu. Da aber alle Schrift der Welt hieroglyphisch begann, lässt sich zwischen beiden, Wort und Bild problemlos eine Verbindung ziehen. De facto sind ägyptische Skulpturen als Wörter aufzufassen.